Es ist der 6. September 2001. Das Telefon läutet. Meine Mama ist am Apparat. Mein Bruder Andi bekommt den Hörer in die Hand. Andi fragt: „Mama, ist der Papa schon aufgewacht?“ Mama sagt: „Andi! Der Papa ist tot!“ Mein Bruder Andi lässt den Hörer fallen und rennt schreiend durch die Wohnung. Was ist passiert? Wir sind als Familie gerade von Würzburg zurück nach Österreich übersiedelt. Mein Papa wollte an seiner Arbeitsstelle noch ein paar Dinge zu Ende bringen als er plötzlich einen Herzinfarkt hat. Alle Hilfe kommt zu spät und so stirbt er einige Stunden später.
Völlig unvorbereitet wird Papa aus unserem Leben gerissen. Er hinterlässt unsere liebe Mama alleine mit ihren 6 Kindern zw. 2 und 12 Jahren. Alle haben wir unseren Papa geliebt und ich kenne kaum einen Papa wie ihn, der sich so viel Zeit für seine vielen Kinder genommen hat. Bis ich wirklich begriffen hab was da passiert ist, braucht es noch Zeit. Immer wieder träume ich, dass Papa doch nur weg ist und eh bald nach Hause kommen wird. Doch Papa kommt nicht und ich begreife langsam, dass er wirklich tot ist. Er wird begraben und wir sind alleine ohne ihn.
Wenn man solche Geschichten hört, heißt es auch oft: „Wie kann ein guter Gott das zulassen? Wie kann Gott gut sein, wenn er einer Familie ihren Vater nimmt? Ich kann nicht mehr an Gott glauben. Gott kann‘s nicht geben.“
Nun, angesichts des Elends in dieser Welt muss ich sagen, schrecklich wäre es, wenn es Gott nicht gäbe, wenn wir Menschen uns hier auf dieser Welt ganz alleine gegenseitig ausgeliefert wären. Wenn wir Gott wegstreichen wird das Leid dadurch nämlich nicht leichter, sondern nur noch viel unerträglicher. Darüber muss ich nicht diskutieren, Gott gibt es! Ich hab ihn erlebt, schon oft, und viele andere ebenfalls und das war keine Einbildung. Und noch viel mehr, Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden und der hat zu 100% gelebt, das kann keiner leugnen. Wenn es keinen Gott gibt, gibt es nur Verzweiflung und Verbitterung, der Glaube an Jesus gibt Hoffnung und Mut im Leid
Doch warum scheint Gott zu so viel Schrecklichem zu schweigen?
Die große Frage nach dem Warum beschäftigt so viele Menschen. Manchmal das ganze Leben lang. Doch ich denke die Frage ist eine Sackgasse. Das Warum hält uns in der Vergangenheit gefangen. Aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Auf das Warum gibt es auf dieser Erde wohl nie eine Antwort und auch ich kann euch keine geben.
Nur so viel dazu: Weil ich keinen Sinn in einer Sache sehe, heißt das nicht, dass es keinen Sinn gibt. Aber wer sagt, dass es nicht aus Gottes Perspektive sehr wohl gute Gründe für Leid gibt? Letztlich werden wir kleinen begrenzten Menschen, das Handeln Gottes nie ganz verstehen können. Sonst wäre Gott nicht mehr Gott.
Ich denke die eigentlich entscheidende Frage hinter allem Leid ist nicht: Gibt es Gott? oder Warum das Leid? Nein, ich denke es geht um die Frage: Ist Gott gerecht? Ist Gott mächtig einzugreifen? Ist Gott gut und vertrauenswürdig?
Wir haben als Familie erlebt, dass Gott gut ist und dass er die, die sich auf seinen Sohn Jesus verlassen nicht im Stich lässt. Mein Papa hat mit uns mehrere Touren in den Bergen gemacht und so manches Mal mussten wir auch einen kalten reißenden Bach überqueren. Dann hat Papa seine Schuhe ausgezogen, einen nach dem anderen auf die Schultern genommen und uns ans andere Ufer getragen. Vielleicht hat uns ein bisschen Wasser angespritzt, aber wir sind nicht ernsthaft nass geworden und sicher ans andere Ufer gekommen. So habe ich Gottes tragende Hand auch im Leid erlebt. Wir mussten durch eine schwierige Zeit, aber wir wurden getragen von Gottes Fürsorge. Nachdem meine Mama am Todestag von Würzburg zurückkam war sie ruhig und das machte auch uns ruhig. Warum war sie ruhig? Meine Mama hatte, in den letzten Minuten, in denen Papas Herz immer unregelmäßiger schlug gewusst: Sie kann entscheiden. Entweder verzweifeln oder festhalten daran, dass Gott gut ist und keinen Fehler macht, auch wenn sie Gottes Weg nicht verstehen kann.
Sie entschied sich, Gott zu vertrauen und so wuchs unsere ganze Familie durch die Not stark zusammen. Uns alle hat der Tod von Papa auch näher in unserer Beziehung zu Gott gebracht, genau das Gegenteil von dem, was mancher denken würde.
Am 6. September 2001, als mein Bruder den Hörer hat fallen lassen konnte er nur verzweifelt Schreien: Der Papa ist tot, der Papa ist tot! Warum? Weil er keine Antwort auf das Leid hatte. Bei mir war das anders.
Welche Antworten hat ein 11-Jähriger auf das Leid?
Meine Eltern haben mir viel von Gott gesagt und die biblischen Geschichten erzählt, von klein auf. Und als ganz kleiner Junge hatte ich schon einiges verstanden. Vor allem eins: Ich will in den Himmel, bei Jesus sein. Das ist das ewige Leben- Freundschaft/Gemeinschaft/Beziehung mit Jesus, jetzt schon und über den Tod hinaus. Gott hat uns zu diesem Zweck geschaffen, dass er uns bei sich haben will. Er will unser himmlischer Vater sein.
Doch so viel hatte ich aber auch begriffen: Es gibt ein Problem. Es gibt Dinge in meinem Leben, die gefallen Gott nicht: meine Lügen, mein Streit, mein Neid, mein „mich besser als die anderen halten“. Das sind aber nur Folgen von dem eigentlichen Problem – dass ich von Gott getrennt bin. Ohne Gott machen wir immer was, was Gott weh tut. Seitdem gibt es Ungerechtigkeit, Streit und Krieg. Und wenn wir ehrlich sind, ist das meiste Leid, dass die Menschen erleben, durch andere Menschen geschaffen. Auch ich füge anderen Leid zu, auch ich verletze. Ich wusste, dass auch ich von Gott getrennt bin und es nur eine Ausweg gibt:
Gott kam als Mensch auf diese Welt. Jesus hat für meine Schuld bezahlt am Kreuz. Alles was ich tun muss, ist ihm glauben, dass diese Tat auch für mich gilt. Jesus ist der Weg zum Himmel. Jesus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater als nur durch mich.“ Johannes 14,6
Von da an war ich sicher, dass ich einmal bei Gott dem Vater im Himmel sein werde und dass Jesus immer bei mir sein wird und mich begleitet. Aber mein Wissen war mehr theoretisch. Im Alltag hatte mein Glaube wenig Bedeutung für mich. Lediglich, dass ich immer sehr interessiert daran war, die Bibel zu lesen und mehr über Gott zu erfahren.
Mit dem Tod meines Papas wurde alles anders. Das was bisher eher nur Kopfwissen war, wurde auf einmal auf die Probe gestellt. War es echt? Hielt mein Kinderglaube?
Jesus ist nicht einfach nur ein Schmerzpflaster für die Armen, Schwachen und Dummen oder Krückstock. Um Jesus nachzufolgen gibt es hunderte vernünftige Gründe. Aber damit Menschen sich Gott zuwenden, braucht es leider so oft Leid. Weil wir Menschen so harte Nüsse sind, muss Gott oft Leid in unserem Leben zulassen, damit wir erkennen, dass wir nicht der Herr der Lage sind. Noch heute ist es bei mir oft so, dass gerade Leid mich wieder erinnert, Gottes Nähe zu suchen und mich auf die wesentlichen Dinge des Lebens zu konzentrieren, wenn mich der Trubel des Alltag wieder einmal zu sehr in Beschlag genommen hat.
Gott hat das Leid in meiner Familie auch dazu gebraucht, dass sich meine beiden Brüder mit ihrer Verzweiflung an meine Mama gewendet haben. Und sie hat ihnen erklärt, wie man bei Jesus Frieden findet mit Gott. Joh 1,12 „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht Kinder Gottes zu heißen.“ Jesus aufnehmen heißt ihn einladen in mein Leben zu kommen als Chef, Retter und Freund. Seitdem haben auch mein Brüder Trost und eine Gewissheit des ewigen Lebens. So gibt es wirklichen Trost im Leid auch nur für die Menschen, die sich an Gott wenden.
Gott nimmt unser Elend und Leid so ernst, dass er bereit ist es auf sich selbst zu nehmen. Immanuel – Gott mit uns – auch im tiefsten Leid. Jesu hat für uns am Kreuz gelitten und ist auferstanden. Er besiegte den Feind der Menschen. Den Tod. Und ich weiß, weil Jesus auferstanden ist, kann auch ich leben und einmal bei Gott im Himmel sein. Alles was ich tun muss, ist dieses Angebot von Gott annehmen.
Gott vergaß auch im Alltag nicht auf uns. Wir waren oder sind bis heute finanziell versorgt. Doch mit sechs Kindern, die zwei kleinsten 2 und 4 Jahre alt, sowie mit drei Jungs zwischen 7-11 Jahren war meine Mama sehr gefordert. Auch hier half Gott. Er hat uns Leute geschickt, die Mama unterstützen, besonders Eva, eine Deutsche. Sie hat von unserem Schicksal gehört und hat es als ihre Aufgabe von Gott gesehen, für sechs Monate zu uns zu ziehen und im Alltag mit anzupacken. Eine kompetentere Person hätte es wohl nicht gegeben.
Und Gott hat noch Größeres getan. Eineinhalb Jahre nach Papas Tod, haben wir ein Familiengrillfest im Garten gemacht. Meine große Schwester sagt auf einmal: „Mama, du wolltest doch nur als Familie grillen, warum ist dann Hermann auch dabei?“ An diesem Abend hat uns Hermann gefragt, ob er unsere Mama heiraten darf? Natürlich haben wir ja gesagt. Denn nur Hermann konnte diese Aufgabe übernehmen. Einen anderen hätten wir sicher nicht akzeptiert, Hermann, unser Kinderonkel seit jeher und Freund von Papa. Ihn hatte Gott „aufgehoben“ mit 38 Jahren noch ledig, damit wir nicht ohne Vater bleiben mussten. Er hat es auch manchmal nicht leicht gehabt, dass wir ihm unser Vertrauen schenken. Doch er hat nicht aufgegeben. Ich kann von Herzen zu ihm Papa sagen.
Nicht alles ist deshalb eitle Wonne. Ich hab trotzdem unter dem Verlust gelitten und der hat Nachwirkungen bis jetzt.
Doch ich kann sagen. Gott hat mich nicht enttäuscht. Seit dem Trost, den ich damals als 11-jähriger erlebt habe, ist mein Glaube nicht mehr nur theoretisch sondern lebendig geworden. Ich weiß, egal was mir in diesem Leben noch begegnet, und es gab schon einige Tiefen, Gott ist bei mir und trägt mich hindurch. Bis heute hab ich erlebt, dass er gut ist. Er ist mein himmlischer Vater, der immer da ist.
Nicht jeder hat Gott im Leid so erlebt und viele haben wohl noch keinen einzigen guten Punkt in ihrem ganzen Leid gefunden. Leid ist nicht einfach ungeschehen. Doch Gott kann trösten. Wir Menschen sind ihm nicht egal. Er lässt uns nicht einfach alleine in unserem Elend. In Jesus kommt Licht in die Dunkelheit des Leids. Wer zu ihm kommt findet Trost und wird nicht enttäuscht.
In Matthäus 11,28 sagt Jesus: Kommt her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid und ich werde euch Ruhe geben.
Das ist die Geschichte von meinen drei wunderbaren Vätern: mein Papa, mein Stiefpapa und mein himmlischer Papa.
Mittlerweile darf ich selbst Papa von zwei wunderbaren Kindern sein. Es ist eine wunderschöne Sache und eine riesige Verantwortung, der ich alleine nie gewachsen wäre. Wie gut ist es da zu wissen, dass mein himmlischer Vater mir dabei zur Seite steht. Mein größter Wunsch, ist, dass auch meine Kinder glauben und erleben was für ein guter Vater Gott ist.